Projektbeschreibung Dampfboot "Sunrise"

Begonnen hat alles, wie wahrscheinlich bei vielen Anderen auch mit dem Modellbau. Besonders der Schiffsmodellbau hat mich schon immer fasziniert, ich baute schon als Jugendlicher Boote und kaufte mir die erste gebrauchte Fernsteuerung. Später kaufte ich mir einen Bausatz einer 2-Zylinder Stuart-Dampfmaschine (D10), und konstruierte bzw. baute mir einen wunderschönen stehenden Rauchrohrkessel, nebst einem dazugehörigem Dampfboot, der „ASTRID“.

 

In den letzten Jahren interessierten mich die Dampfmaschinen immer mehr und bei der Jubiläumsveranstaltung zum 20 jährigem Jubiläum des DDV, Anfang Mai 2003 in Bodmann am Bodensee, welcher ich zufällig beiwohnen konnte, habe ich den Entschluss gefasst, mein eigenes Dampfboot zu bauen.

 

Bootsname

„SUNRISE“: Den Namen haben sich meine Damen ausgedacht, nach einem Titel von Simply Red.

 

Bootsgröße

Allgemeine Überlegungen:

 

Bootsgrößen bis ca. 4.5 x 1.5 Meter (Länge x Breite) sind die idealen Größen zum Trailern und bieten etwa bis 4 Personen Platz, bei einem Gewicht inklusive Zuladung von 700 - 900 kg. Dies sind eher Schönwetter- oder Promenadenboote, welche bei Wellengang bald zu schlingern anfangen und bei dem das Freibord an der unteren Grenze ist.

 

Bootsgrößen von ca. 6 x 1.9 Meter sind wesentlich seegängiger als die kleineren Ausführungen und bietet etwa 6-8 Personen Platz, bei einem Gewicht inklusive Zuladung von bis zu 1600 kg. Bei dieser Größe könnte schon ein kleines Dach gebaut werden, um die Passagiere vor Wind und Wetter zu schützen.

 

Bootsgrößen von ca. 7 - 8 Meter Länge sind gut seegängig und laufen bedingt durch die Länge auch sehr schön. Platz ist für etwa 8-10 Personen bei einer Verdrängung von ca. 2000 kg. Bei dieser Größe kommen schon kleinere Aufbauten wie ein Dach, Salon oder eine kleine Kajüte in Frage.

 

„SUNRISE“ 5,1m x 1,9m

 

Schalenform, Geschwindigkeit

 

Eine schmale, lange Schalenform des Bootes wird mit wenig Kraftaufwand zügig laufen, frei nach dem Bootsbauer-Motto "Länge läuft". Die Rundspantschale stellt das Beste bezüglich Wasserablauf dar, ist jedoch aufwendig in der Herstellung und daher teuer. Ein Kompromiss bezüglich Aufwand und Wasserablauf ist ein Knickspanter (Schale unter Wasser ist 3 bis 5 kantig). Alle Dampfboote sind Verdränger, das heißt beim Erreichen der Rumpfgeschwindigkeit bleibt das Unterwasserschiff ganz eingetaucht. Der Leistungsbedarf für das Erreichen der Rumpfgeschwindigkeit ist relativ klein. Mit folgender Formel kann die Rumpfgeschwindigkeit ungefähr berechnet werden:

 

4.5 x (Wasserlinienlänge in Metern) ^ 0.5 = Geschwindigkeit in km / h

 

„SUNRISE“ Rundspantschale mit 5m WL = 10 km/h

 

Antriebsart, Leistungsbedarf

 

In der Regel wird bei den kleinen Booten ein normaler Schiffsschraubenantrieb gewählt. Infolge der niedrigen Drehzahl und dem großen Drehmoment einer Dampfmaschine haben die Propeller einen großen Durchmesser sowie eine beachtliche Steigung. Beim Antrieb mit einer Kolbendampfmaschine braucht es kein Umsteuergetriebe oder Verstellpropeller, da die Drehrichtung und die Leistungsregulierung via Dampfumsteuerung erfolgt. Um die Rumpfgeschwindigkeit zu erreichen, ist folgende Berechnung für den ungefähren Leistungsbedarf anwendbar:

 

2.2 kW pro 1000 kg Wasserverdrängung des Bootes

 

„SUNRISE“ ca. 800 kg inkl. Zuladung = 1,76 kW o. 2,4 PS

 

Dampferzeugung

 

Um genügend Dampf zu erhalten, wird ein entsprechender Dampfkessel benötigt. Auch hier sind verschiedene Aspekte zu berücksichtigen. Ein stehender Kessel benötigt weniger Grundfläche, hat aber einen höheren Schwerpunkt, was das Boot eher zum Schaukeln bringt. Ein liegender Kessel hat einen günstigeren Schwerpunkt, benötigt aber mehr Grundfläche. Somit bleibt weniger Platz für alles Andere im Boot. Ein Maß für eine grobe Größenbestimmung eines Dampfkessels ist die Heizfläche und wird wie folgt berechnet:

 

Pro kW Leistung 0.8 m2 Heizfläche mit Wasserrohrkessel (1.05 m2 Rauchrohrkessel)

 

„SUNRISE“ 1,76 kW x 0,8 m2 = 1,4 m2 (1,8 m2)

 

Boot

 

Rundspanter aus Zederleisten mit 2 Lagen Mahagonifurnier + GFK laminiert und Holzdeck mit einer Länge von 5,2 Metern und Platz für ca. 5 Erwachsene. Das Boot soll ein Verdeck bekommen, welches die hintere Hälfte des Bootes überdeckt und somit auch Fahrten an kühleren Tagen erlaubt. Mit 5 Meter Wasserlinienlänge beträgt die Rumpf - Geschwindigkeit ca. 9 - 10 km / Stunde.

 

Da ich selber Maschinenbautechniker bin und mein Bruder Drehermeister ist, denke ich daran die Teile für die Dampfmaschine selber herzustellen. Das Boot hat eine Wasserverdrängung von etwa 800 kg und benötigt somit eine Maschine mit einer Leistung von ca. 1,76kW.

 

Um den Dampfhunger der Dampfmaschine zu stillen, wird einen Kessel mit einer Heizfläche von mindesten 1,5 m2 benötigt. Ein solcher Dampferzeuger wird bei bis zu 10 bar betrieben, und ist deshalb mit der gebührenden Vorsicht zu behandeln. Ich werde den Kessel somit nicht selber bauen, sondern einen TÜV-geprüften Wasserrohrkessel mit ca. 2 m2 Heizfläche kaufen, (alternativ einen Rauchrohrkessel mit ca. 2,5 m2 Heizfläche).

 

Maschine

 

Auslegung meiner Dampfmaschine

 

Da ich die Maschine selber bauen will, hielt ich Umschau nach Bauplänen und dem dazu gehörenden Gussteilesatz. Ich wurde nur bei englischen Lieferanten fündig. Deren Maschinen brachten zwar die erforderliche Leistung, aber der Gussteilesatz (inklusive Versand) erscheint mir zu teuer.

 

Deshalb entschied ich mich zu einer Eigenkonstruktion, dessen Auslegung durch einen kompetenten Dampffreund erfolgte.

 

Rundschieber gesteuerte 1-Zylindermaschine

Kolbendurchmesser 75 mm

Kolbenhub 90 mm

Umsteuerung Stephenson

 

Die Wellenleistung PB berechnet sich wie folgt:

 

PB = ( A * z * H * n * Pm * h m ) / 3057 in Watt

 

Wobei:

A = Kolbenfläche in cm2

z = Zylinderzahl

H = Kolbenhub in mm

n = Drehzahl / min

Pm = mittlerer Dampfdruck im Zylinder in bar

h m = mechanischer Wirkungsgrad der Maschine

3057 = Konstante, welche den Doppelten Weg des Kolbens während einer Umdrehung und die Umrechnung in Watt enthält.

 

demnach beträgt die Leistung bei folgenden Werten:

 

A = 44,16 cm2

z = 1

H = 90 mm

n = 200 U/min – 300 U/min

Pm = 6 bar

h m = 0.7

 

PB = (44,16 x 1 x 90 x 200 x 6 x 0,7 ) / 3057 = 1090 Watt / 1,5 PS

 

PB = (44,16 x 1 x 90 x 300 x 6 x 0,7 ) / 3057 = 1638Watt / 2,2 PS

 

Diese Leistungsberechnungen sollen nur etwa die Größenordnung aufzeigen, weil die Parameter n, Pm und h m nur angenommene Werte sind, und so eine Ungenauigkeit von etwa +/- 20% entsteht.

 

Speisewasserpumpe

 

Kolben-Speisewasserpumpe: direkt über die Kurbelwelle angetrieben.

 

Kessel

 

Auswahl meines Dampfkessels

 

Da ich den Kessel nicht selber bauen will, standen folgende Kriterien für die Auswahl eines meiner Meinung nach geeigneten Kessels im Vordergrund:

 

möglichst tiefer Schwerpunkt (wegen des Schaukelns)

schnelle Anheizzeit

geeignet für Holzbefeuerung (weniger Staub und Russ als bei Kohle)

große Heizleistung (der Kessel kann reduziert betrieben werden)

 

Nach diesen Kriterien möchte ich einen Wasserrohr- oder Rauchrohrkessel kaufen, welcher mit Prüfzertifikat geliefert wird.

 

Heizfläche = 2 m2 bzw. 2,5 m2

 

Anzahl Wasserrohre = ? bzw. Rauchrohre = ?

 

Das benötigte Dampfvolumen V berechnet sich wie folgt:

 

V = A * z * H * n * 2 [dm3/min]

 

Wobei:

 

A = Kolbenfläche in dm2

z = Zylinderzahl

H = Kolbenhub in dm

n = Drehzahl / min

2 = Konstante, welche den doppelten Weg des Kolbens während einer Umdrehung enthält.

 

Demnach beträgt das Dampfvolumen:

 

A = 0,44 dm2

z = 1

H = 0,9 dm

n = 200 U/min – 300 U/min

V = 0,44 x 1 x 0,9 x 200 x 2 = 158 - 238 dm3/min

 

Das spezifische Dampfvolumen (sV) bei 6 bar beträgt 319 dm3/kg

 

Somit beträgt der Dampfverbrauch bei 100% Füllung und 200 - 300 U/min:

 

D = V / sV x 60

 

D = 158 / 319 x 60 = 30 kg/h – 44 kg/h

 

Wie aus der obigen Formel ersichtlich wird, ist der Dampfverbrauch linear von der Drehzahl abhängig, da die restlichen Parameter fix sind (konstruktionsabhängig) deshalb erscheint es mir äußerst wichtig, die Maschine möglichst langsam laufen zu lassen (womit jedoch auch die Leistung reduziert wird!)

 

Bei einer Füllung von etwa 80% dürfte der max. Dampfverbrauch um die 36 kg/h

 

Bei einer konservativen Berechnung der Wasserrohr - Kesselleistung (Heizflächenbelastung von 25 kg/h m2) müsste die Leistung meines Kessels wie folgt aussehen:

 

D = 2 m2 x 25 kg/h m2 = 50 kg/h

 

Rauchrohrkessel (Heizflächenbelastung von 20 kg/h m2 )

 

D = 2,5 m2 x 20 kg/h m2 = 50 kg/h

 

Womit der Kessel ausreichend Dampf für meine Maschine liefert.

 

Messungen an einem Wasserrohrkessel mit 5.4 m2 bei der Fa. Balson haben eine Leistung von 130 kg/h ergeben. Dies würde bedeuten, dass mein Kessel rechnerisch

48 kg/h bzw. 45kg/h leisten müsste.

 

Bootsrumpf

 

Anforderungen

 

Nach einigen Gesprächen mit Bootsbauern und Bootsbesitzern, meinen handwerklichen und finanziellen Möglichkeiten, haben sich nun folgende Anforderungen heraus kristallisiert:

  • maximal 5 Passagiere können mitfahren
  • kleines Verdeck für Fahrten an kühleren Tagen
  • genug Platz für Brennstoff für 1/2 Tag
  • stabile Bootsform mit genügend Freibord
  • Leichtbau um Leistung zu sparen

Wie auf dem Grundriss zu sehen ist, steht in der Mitte die Antriebsanlage, bestehend aus Kessel und Maschine. Links und rechts des Kessels sollen die Kästen für den Brennstoff hinkommen. An einem ähnlichen Kessel, wie ich ihn einsetzen will, wurden Messungen bezüglich des Brennstoffbedarfs gemacht. Dabei wurde ein Brennstoffverbrauch von ca. 4,8 l Heizöl/h ermittelt, was ungefähr 12 kg Holz/h entspricht. Somit muss für einen halben Tag etwa 60 kg Holz mitgeführt und untergebracht werden können.

 

Weniger Probleme werden sich für den Brennstoff des Kapitäns sowie der Mannschaft ergeben, da für ein paar Flaschen Wein o. Ä. immer ein Plätzchen vorhanden ist.

 

Links neben der Maschine ist der Sitzplatz des Steuermannes und rechts der des Heizers. Achtern hat es einen Sitzbank für etwa 3-4 Personen mit einem Tisch.